Das schwere Unglück in einer Textilfabrik in Bangladesch sollte die Wende bringen, so hofften es jedenfalls viele Enthusiasten in der Mode-Industrie. Durch den Fokus der Welt auf die schlechten Bedingungen, unter denen die Arbeiter die Kleidung für die westliche Welt produzieren, sollte eine neue Wahrnehmung, eine neue Ausrichtung entstehen. Nachhaltige und ökologisch korrekte Kleidung sollte von nun an den Markt dominieren, so war die Hoffnung einer Schar von jungen Weltverbesserern. Doch es kam leider anders. Die Welt nahm das Schicksal wahr, zeigte sich geschockt, diskutierte bis spät in die Nacht in den Talkshows der Republik, spendete Geld – und am Ende passierte leider sehr wenig. Die Mode-Industrie setzt weiter auf die günstigen Arbeits- und Produktionsbedingungen in Ländern wie Bangladesch. Der Preisvorteil ist zu verlockend.
Alle großen Modelabel lassen in Ländern wie Indien, Bangladesch oder China ihre Produkte herstellen. Es wurden zwar in vielen Unternehmen Qualitätsmanager beauftragt, die die Arbeitsbedingungen in den betroffenen Ländern ebenso bewerten sollen wie die Qualität der hergestellten Ware. Doch tiefgreifende Konsequenzen zogen nur die allerwenigsten Unternehmen, und wenn dann nur, um in der öffentlichen Wahrnehmung besser dazustehen als die Mitbewerber. Dies ist sehr schade, denn der Moment war wirklich günstig, einen neuen Weg einzuschlagen. Die Ursachen jetzt alleine bei den etablierten Mode-Unternehmen zu suchen, reicht aber nicht aus. Die Modelabel, die nachhaltige und faire Waren produzieren, haben es ebenso in jener Zeit völlig verschlafen, sich klar zu positionieren. Es wurde den Menschen keine klare und eindeutige Alternative geboten.
In der Mode-Industrie sind Markennamen extrem wichtig. Für die allermeisten Verbraucher zählt der Wert und die Bedeutung einer Marke mehr als alles andere. Dies geschieht unbewusst. Seit Jahrhunderten, besser gesagt seit Jahrtausenden, wird über die Kleidung der Status des jeweiligen Menschen festgelegt. Was kann sich jemand leisten und zu welcher gesellschaftlichen Klasse gehört der Mensch, der vor einem steht? Hier ist die Kleidung das wichtigste Signal.
Genau hier haben die nachhaltigen und ökologisch korrekten Mode-Unternehmen etwas ganz Wichtiges nicht verstanden: die Wichtigkeit des Status. Mode kann genau diesen festlegen. Es gibt kaum nennenswerte Marken in der Welt der nachhaltigen und ökologisch korrekten Mode. Hier muss angesetzt werden, wenn sich das Blatt wenden soll. Ein so tief sitzendes Verhaltensmuster, das über einen solch immens langen Zeitraum entwickelt worden ist, legt man nicht mit ein paar „vernünftigen“ Argumenten in Bezug auf die Herstellungsproblematik ab. Die Sehnsucht und das Verlangen der Menschen nach Status, Wertschätzung und Anerkennung muss Mode bedienen können. Wenn sie dies nicht schafft oder gar ablehnt, weil es dem einen oder anderen Mode-Designer zu altmodisch erscheint, dann wird diese Mode es niemals schaffen, gekauft zu werden: Die Menschen werden sie nicht tragen.